Beste Feindinnen

Beste Feindinnen

Katherine St. John

Belle wird von ihrer besten Freundin Summer und deren Sugardaddy zu einem luxuriösen Jachttrip an die Riviera eingeladen – doch seit die beiden sich als Teenager kennenlernten ist viel passiert, und schon bald muss Belle um ihr eigenes Leben fürchten.

Knaur Verlag, 2020

ISBN:
9783426525647
Preis:
9,99€

Leseprobe

Kurz darauf gewährt man uns endlich Zutritt in das auf arktische Temperaturen heruntergekühlte, winzige Terminal, wo unsere Pässe mit der Passagierliste abgeglichen werden. Dann geht es durch eine große Glastür auf die glühend heiße Rollbahn. Die Crew des Jets nimmt uns freundlicherweise das Gepäck ab, doch eine stämmige Flugbegleiterin in einem khakifarbenen Kleid, die kaum älter sein kann als wir, informiert uns höflich, dass niemand das Flugzeug betreten darf, bis Mr Lyons eintrifft.

Also zurück zum Terminal. Doch bevor wir die vollklimatisierte Oase erreichen, fängt sie uns ab. »Entschuldigung, nur zu Ihrer Information: Mr Lyons wünscht, dass seine Gäste bereitstehen, damit wir starten können, sobald er eintrifft.«

»Okay, kein Problem. Wir sind jederzeit bereit.« Rhonda zeigt mit dem Daumen nach oben, und wir gehen weiter Richtung Terminal.

»Von wegen Mädelsausflug«, sagt Wendy seufzend. Ich lache. »Er lässt sie doch kaum aus den Augen. Hast du wirklich geglaubt, er würde Summer allein mit seinem Jet an die Riviera fliegen lassen?«

Die Flugbegleiterin überholt uns und ruft aufgeregt: »Nein, nein, tut mir leid!« Der Schweiß glänzt auf ihrer Stirn. »Ich meinte, Sie sollten hier warten. Die beiden kommen jeden Moment.« Wir bleiben wie angewurzelt stehen. »Sie meinen hier? In der Sonne?«, fragt Brittani ungläubig.

»Ja, das wäre das Beste«, erwidert die Flugbegleiterin und klingt jetzt ein wenig verzweifelt. »Bitte, hier entlang, Sie können sich hier in den Schatten stellen.« Und so schmachten wir fast eine Stunde lang im Schatten der Flugzeugnase vor uns hin.

Als der weiße Bentley endlich vorfährt, habe ich einen wahnsinnigen Druck auf der Blase, und in meinem Bügel-BH steht der Schweiß. Summer steigt auf der Fahrerseite aus, als komme sie geradewegs aus einem Schwarz-Weiß-Film. Sie war schon immer meine glamouröseste Freundin, aber diesmal hat sie sich wirklich selbst übertroffen. Sie trägt ein beigefarbenes Wickelkleid, eine große, dunkle Sonnenbrille, ein Tuch von Chanel über dem geschmackvoll blondierten Haar, ein geradezu strahlendes Lächeln und ist sich offenbar überhaupt nicht bewusst, dass wir uns ihretwegen gerade eine Stunde lang die Beine in den Bauch gestanden haben.

Während sie unbeschwert zu uns herüberschaut, spüre ich Ärger in mir aufwallen. Noch ist es nicht zu spät. Ich könnte immer noch abspringen. Ich könnte sagen, dass es mir nicht gut geht, und wahrscheinlich würde ich sogar ein paar meiner Schichten in der Bar zurückbekommen. Nach dem, was Summer abgezogen hat, würde sie niemand, der noch bei Verstand ist, auf diesen Trip begleiten. Aber nein, ich muss das jetzt durchziehen, egal, was passiert ist. Ich zwinge mich, nicht auf die Uhr zu sehen, ersticke die Wut und schalte mein Lächeln ein.

Auf der Beifahrerseite steigt ein schmächtiger, drahtiger Mann in einem maßgeschneiderten Anzug aus. Summers Freund John ist keinen Tag älter als dreiundsechzig. Seine gerade noch sechsundzwanzigjährige Freundin übertrifft er somit in Jahren deutlich, allerdings nicht in Zentimetern. Immerhin, seine perfekt frisierten, silbergrauen Haare und die Absätze an seinen handgemachten italienischen Lederschuhen geben ihm bestimmt noch einmal fünf Zentimeter dazu, sodass sie fast gleich groß sind. Mir fällt auf, dass sie flache Schuhe von Chanel trägt, die zu ihrem Schal passen. High-Heels sind jetzt wohl tabu, damit er neben ihr nicht wie ein Zwerg aussieht.

»Schaut mal, was John mir zum Geburtstag geschenkt hat!«, ruft sie. Sie schiebt die Sonnenbrille hoch, und ihre grünen Augen strahlen im Sonnenlicht. »Los, kommt! Mein Name ist sogar in das Leder gestickt!«

Ihre Begeisterung ist ansteckend. Wir scharen uns um den maßlos teuren Schlitten und machen »Ah« und »Oh«, wie es sich gehört – schließlich ist es wirklich ein prachtvolles Geschoss –, während das Gepäck aus dem Kofferraum in das Flugzeug geladen wird.

Ich umarme Summer und bemühe mich um unsere frühere Vertrautheit. »Es ist wunderschön, genau wie du.«

»Ich bin so froh, dass du da bist.« Sie drückt meine Hand. »Schöne Sonnenbrille.«

»Danke!« Ich fummele an der großen, schwarzen Billigbrille herum. »Ich dachte mir, dass sie dir gefällt. Ich hab sie –«

»Heißt das, ich kann den Mercedes haben, Schätzchen?«, unterbricht Rhonda mich.

Summer lächelt, aber ihre Augen verraten ihre wahren Gedanken. »Mom«, sagt sie im mahnenden Tonfall und schüttelt leicht den Kopf.

»War doch nur ein Witz! Sagen Sie meiner Tochter, sie soll nicht so hart zu ihrer alten Mom sein«, richtet sie sich an John. Summers Blick ruht noch immer auf ihrer Mutter. Sie bereut eindeutig, sie eingeladen zu haben.

»Sie sind doch nicht alt, Rhonda.« John lächelt und sieht dabei aus wie die Grinsekatze aus Alice im Wunderland. »Und der Mercedes gehört Ihnen.«

Rhonda fällt die Kinnlade herunter, und sie sieht ihn über den Rand ihrer Sonnenbrille ungläubig an, unsicher, ob das ernst gemeint war. Doch John hat sich bereits dem Parkdienst zugewendet, der fragt, ob das Auto an dem üblichen Ort abgestellt werden soll.

Während der Bentley davonfährt, legt Wendy John die Hand auf den Arm. »Summer hat mit Ihnen echt das große Los gezogen. Vielen Dank für diese Reise. Wir freuen uns alle sehr darauf.«

Ich lächle noch etwas breiter. »Ja, vielen Dank.« »Danke«, sagt auch Claire leise und schaut zu Boden. Er nickt großzügig. »Ist mir ein Vergnügen. Schön, dass ihr alle dabei seid.« Und damit geht er auf das Flugzeug zu und löst eine Welle von Geschäftigkeit aus, weil sich die Crewmitglieder jetzt zur Begrüßung aufstellen.

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